Zen-Geschichte 10
Der Schrank des Kaisers
Ein Meisterhandwerker im alten China wurde vom Kaiser beauftragt, einen Schrank für des Kaisers Schlafzimmer im kaiserlichen Palast herzustellen. Der Handwerker, ein Zen-Mönch, sagte dem Kaiser, dass er erst in fünf Tagen würde beginnen können. Die Spione des Kaisers sahen, wie der Mönch in dieser Zeit dasaß und anscheinend nichts tat. Dann, als die fünf Tage vorbei waren, stand der Mönch auf. Innerhalb dreier Tage fertigte er den außer-gewöhnlichsten Schrank, den man je gesehen hatte. Der Kaiser war so zufrieden und neugierig, dass er den Mönch zu sich kommen ließ und ihn fragte, was er während der fünf Tage vor dem Beginn seiner Arbeit gemacht hatte. Der Mönch antwortete: »Den ganzen ersten Tag verbrachte ich damit, jeden Gedanken loszulassen an Versagen, an Furcht, an Bestrafung, falls meine Arbeit dem Kaiser missfallen sollte. Den ganzen zweiten Tag verbrachte ich damit, jeden Gedanken loszulassen an Unangemessenheit und jede Überzeugung, dass mir die Fertigkeiten fehlten, einen dem Kaiser würdigen Schrank zu bauen. Den ganzen dritten Tag verbrachte ich damit, jede Hoffnung und jedes Verlangen loszulassen nach Ruhm, Glanz und Belohnung, falls ich einen Schrank fertigen sollte, der dem Kaiser gefallen würde. Den ganzen vierten Tag verbrachte ich damit, den Stolz loszulassen, der in mir wachsen könnte, falls ich mit meiner Arbeit erfolgreich sein sollte und das Lob des Kaisers empfangen würde. Und den ganzen fünften Tag verbrachte ich damit, im Geist die klare Vorstellung dieses Schrankes zu betrachten, in der Gewissheit, dass sogar ein Kaiser ihn sich wünschte, so wie er jetzt vor Ihnen steht.«